Aus einem Leben

1211 Kilometer in zwei Tagen. Gestern sieben, heute neun Stunden. Gestern knappe sieben Liter, heute knappe sechs auf 100 Kilometer. Von 18° bis 35,5° Grad, von Sonne bis Regen alles dabei gewesen. Unterhaltungsprogramm: The Stand, ungekürzte Ausgabe als Hörbuch.
Die letzten 90 Kilometer nur Serpentinen, zwei gnadenlose Stunden lang. Kurz vorm Ziel ist dann auch mir etwas flau im Magen geworden. Am Zielort dann eine Dummheit: die Einfahrt zur Unterkunft verpasst und ich fahre in eine Mini-Gasse rein. Erst den Berg rauf, und ich meine dieses Mal wirklich einen Berg, oben eine 8-Punkt-Wendung, und dann lege ich noch einen oben drauf und fahre in die nächste Gasse rein. Und immer weiter, steil runter, um enge Kurven rum. Und dann ging es nicht weiter. Rückwärts zurück war für mich und auch das Auto grenzwertig. Meine Frau kommentierte die Situation, dass sie das Auto heulend hätte stehen lassen. Ich war kurz davor…
Die Anfahrt war anstrengend, dafür sind wir jetzt knapp zwei Wochen mitten in der Toskana. Die Aussicht von hier oben ist einfach nur genial. Und die Unterkunft ist typisch, ein großes Wohnzimmer mit Kamin, eine Küche, im Obergeschoss eine großes Bad, ein großes Schlafzimmer und ein kleines Kinderzimmer. Hier könnte ich bleiben.

Einfach unbeschreiblich. Ich war gerade draußen vor der Tür eine Zigarette rauchen, - das Zirpen der Grillen, die Sterne und der Ausblick auf die Berglandschaft mit den vielen kleinen Lichtpunkten, das kann man nicht in Worte fassen. Da spielen Zeit und lächerlich kleine Problemchen keine Rolle mehr. Zeit ins Bett zu gehen!

Es geht. Auch wenn es mich viel Kraft kostet, aber ja, es geht wieder harmonisch zu. Gestern Morgen hat es ordentlich geknallt, und ja, dieses Mal ist meine Frau sogar etwas lauter geworden. Sie möchte nicht darüber reden und mir auch keine Gründe nennen, sie möchte allerdings auch nicht, dass ich mich von ihr trenne. Sie möchte für eine unbestimmte Weile auch keinen Sex, und wie lange diese unbestimmte lange Weile dauern wird ist ungewiss. Auch hierfür gibt es keine Gründe für mich. Aber es ist kein anderer Mann und keine andere Frau. Aus all dem werde ich nicht schlau.
Ehrlich gesagt war ich soweit, aufzugeben und meine Mauern hochzuziehen, um mich selbst zu schützen. Bin mir gar nicht so sicher, warum ich es nicht gemacht habe.
Aber egal, jetzt sitze ich hier vor dem Best Western Hotel in Kiefersfelden und trinke ein lausiges Bier. Was bedeutet, dass wir doch in den Urlaub fahren und das ganze noch kein Ende hat. Bzw., dass das Ende noch offen ist.
Das eigentliche Problem interessiert mich.

Off Topic: es wimmelt hier an Polizei. Die Einheiten, die für die Grenzkontrollen zuständig sind, gastieren hier im Hotel. Was das den Bürger wohl kostet?

OK, ich versuche es. Weil ich beide immer noch liebe.

Produktiver Arbeitstag. Tatsächlich mal wieder morgens dank meiner Frau Super-IT-Generälin mein Tagesplan versaut und einer meiner Mitarbeiter komplett blockiert. Und on top: statt seinem freien Mittwoch wurde er gestern auch schon den ganzen Tag über von ihr in Beschlag genommen und hat dafür morgen frei. Nur gut, das ich da der Vorgesetzte bin...
Dennoch alles irgendwie erledigt und sogar viele Kleinigkeiten abgearbeitet. Zudem noch eine gute Vorplanung für die nächsten drei Wochen und was soll ich sagen, - fühlt sich gut an. Inklusive positiver Bestätigung, da macht arbeiten wieder richtig Freude.

Zu Hause hingegen? Verwirrend. Erst öffnet sie die Box der Pandora und will unser Sex-Leben verändern, - heute bestätigt sie auf direkte Nachfrage, dass sie für eine Weile, ein paar Tage, Wochen (Monate ?) weder über das Thema Sex reden noch welchen mit mir haben möchte. Kurz vor unserem Urlaub, gebucht mit extra zwei Schlafzimmern... Auf diese Bemerkung hin ein "Schmankerl" für mich: eventuell vielleicht könnte sein doch nochmal im Urlaub. Alles andere soll aber so bleiben, bzw. wieder werden, wie es normalerweise ist. Also wenn ich gut gelaunt bin. Warum kommt mir jetzt der hässliche Gedanken-Einwand: "... wenn ich gut dressiert bin"?
Zu Beginn unserer Beziehung hatten wir das Thema, was der Grund wäre, eine Beziehung zu beenden. Ich hatte den Standpunkt, dass eine Beziehung nicht mehr funktioniert, wenn man nicht mehr über emotionale Dinge reden kann und wenn das Sex-Leben nicht funktioniert, bzw. einer von Beiden damit nicht zufrieden ist. Mit letzterem konnte ich viele Jahre halbwegs arrangiert leben, nun kommt der erste Punkt noch dazu.
Ich konnte nicht wirklich herausfinden, was meine Frau erhofft, mit diesem Schritt zu erreichen, da sie mich doch sehr gut kennt und davon ausgehen muss, dass ich dadurch nur noch trauriger und introvertierter werde. Versucht sie mich dazu zu bringen, sie zu verlassen, damit sie nicht mit Schuldgefühlen konfrontiert wird? Ich kann es mir eigentlich nicht vorstellen.
Morgen letzter Arbeitstag, Samstag Geburtstags-Brunch bei der Familie, Sonntag dann in den Urlaub.