Dienstag, 25. November 2025
seven days later
Heute ist wieder so ein Abend, wo ich nicht ins Bett komme. Das Gedankenkonzert läuft noch, also muss alles irgendwie raus, damit ich nachher schlafen kann.

Da ich kurz vor dem Unfall in die Vollsperrung gekommen bin, kam ich glücklicherweise nach einer Dreiviertelstunde wieder weiter und oh Wunder, auf der Stadtautobahn bin ich unerwartet gut durchgekommen, - zum Abendessen war ich zu Hause.
Unsere Tochter wird krank, hat sich irgendwas eingefangen. Ganz blass im Gesicht, die arme Maus. Ein bissl Smalltalk, sogar mit meiner Frau. Und ein Lächeln war später auf ihrem Gesicht, nur ganz kurz und nicht ganz klar, ob milde oder mitleidig. Aber ein Lächeln.

Vor sieben Tagen kam sie nach Hause und hat die Trennung vollzogen. Seitdem lebt sie im Luxus-Zimmer und sie redet so gut wie gar nicht mit mir. Ich versuche, ihr nicht im Weg zu stehen und bin mir überhaupt nicht sicher, wie ich mich verhalten soll. Dennoch leben wir in einer Wohnung und essen gemeinsam zu Abend. Unsere Tochter versucht das alles zu ignorieren und ihren normalen Alltag zu leben, obwohl ihr bewusst ist, dass es ohne besonderen Zeitpunkt ein Ende ihres bisher gewohnten Lebens geben wird.

Seitdem bin ich durchlaufen: Trauer, Bockigkeit, Unverständnis, Melancholie, ein Hauch Selbstaufgabe, Nostalgie, Akzeptanz, Selbstschutz, Zweifel und Reflektion. Das große Besäufnis steht noch aus und für Dummheiten jeglicher Art bin ich zu alt geworden und hänge doch sehr an meinem Leben.

(Nebenbei, heute kein "gute Nacht", das Licht ist aus. Das gab es wenigstens noch in den letzten paar Tagen)

Ich würde meiner Frau gerne sagen, dass ich wirklich verstanden habe, warum sie sich trennen möchte. Ich habe es in den Jahren tatsächlich "zerredet", wortwörtlich wie sie es mir vorgeworfen hat. Erst jetzt, wo es zu spät ist, begreife ich, warum man nicht alles erklären, bzw. in Worte fassen kann. Das ich mich geirrt habe, dass eine Beziehung ernsthafte Probleme hat, wenn das Sexleben nicht immer harmoniert und man das auch nicht immer besprechen sollte. Oder unbedingt muss. Und ich würde ihr sagen, wie dankbar ich für die letzten zehn gemeinsamen Jahre bin. Das sie mich damals vor dem absehbaren Untergang bewahrt hat, als sie in mein Leben getreten ist. Dafür, dass sie hartnäckig war, und vor allem für den Brief, den ich nie gelesen habe, weil er auch so völlig genügt hat. Ich habe ihn noch heute, ungeöffnet. Dafür, dass sie mir geholfen hat, meine Ängste zu überwinden und eine Beziehung einzugehen, Verantwortung zu übernehmen, vor allem für mich selbst. Und für unsere Tochter.
Ich würde ihr gerne sagen, dass unser gemeinsames Leben auch weitergehen könnte, wenn sie nicht doch lesbisch ist oder sich in einen anderen Menschen verliebt hat. Das eine Leben könnte wie gewohnt weitergehen, das andere Leben könnte sich ohne Worte neu entwickeln.
Und ich würde ihr gerne sagen, wie sehr ich sie liebe, obwohl ich das wahrscheinlich als einziges "Thema" auf der Welt nicht in die Worte fassen könnte, die meine Gefühle für meine Frau wahrhaftig beschreiben können.

Aber ich schwanke. Zwischen Akzeptanz, dem eigenartigen Gefühl, Würde bewahren zu müssen und nicht jämmerlich zu winseln und dem inneren Drang, um meine Frau zu kämpfen.
Sätze wie "können wir mal reden" oder "wir müssen darüber sprechen" werden zukünftig bei mir irgendwie ein negatives Gefühl auslösen. Sage ich nichts, habe ich das Gefühl, dass sie denken könnte "der hat sich damit abgefunden, hat eh nur seine Tochter geliebt, der liebt mich auch nicht mehr, von daher jetzt erst Recht die Trennung". Sage ich was, habe ich das Gefühl sie denkt "Waschlappen, hör auf zu jammern und sie ein, das du abgeschrieben bist".

Ich würde ihr gerne das Schlafzimmer überlassen und in das Luxus-Zimmer umziehen, damit sie endlich ihre Erkältung los wird.

(Kind gute Nacht gesagt, Faden verloren)

Ich glaube an einen Gott, ich glaube an Wunder, und ich glaube an die Liebe zu meiner Frau und meiner Tochter. Von daher gönne ich mir die emotionale Schwäche und bitte dich lieber Gott, lass alles drei Geschehen und mich ein besserer Mensch werden lassen.

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