Aus einem Leben

Ich komme ins Büro, müde, mies gelaunt, wie immer gleich zuerst beim Chef rein. Zahlungslauf freigegeben, schnell hoch und in der FiBu die Datei für die Bank erstellen. Chef klingelt nach und hat eine Frage, die er nicht mehr stellen konnte, da Frau IT-Terminator ins Büro stürzt, einen PC unter dem Arm trägt und mit brachialer Gewalt sämtliche Kabel meines PC's zieht und dabei rumbrüllt, dass diese Aktion ja keinen Schaden hervorrufen wird, da mein PC ja kaputt ist und demzufolge nicht funktioniert.
Ich habe meinem Chef gesagt, dass ich Mal kurz zu ihm runter ins Büro komme. Wir waren beide etwas sprachlos...

So dann auch mein Tag. Wenn die Technik nicht funktioniert, muss man improvisieren, also Besprechungen abhalten. Und früh Feierabend machen. Was wiederum dazu führte, dass ich mich mit meinem Privatleben auseinandersetzen muss.
Ich komme nach Hause, meine Frau wacht gerade aus einem Schläfchen auf, meine Tochter sagt mir guten Tag und verschwindet in den Jugendclub mit der Frage, wann sie zu Hause sein soll. Danach ein kurzes Pläuschen auf der Terrasse und ich merke, meine Frau ist müde und hat alles andere als "Lust". Ich dann natürlich auch nicht sonderlich. Trotzdem steht sie dann im Schlüppi an der Terrassentür und fragt, ob ich rüber ins Schlafzimmer komme. Ich habe mich entschieden, lieber ein paar Worte mit ihr zu reden als halbherzigen Sex zu haben. Reden war aber auch nicht besser.

Da mich auf Arbeit und zu Hause scheinbar keiner versteht, habe ich vorhin den Waschbär voll gelabert. Hat da auf einem Ast rumgelümmelt, Pflaumen gefuttert und mich blöd angesehen.

Zeugnistag, die 8. Klasse ist vorbei. Bei meiner kleinen Faulpelz-Triene habe ich vorsichtshalber zwei 4er vorhergesehen, aber oh Wunder, sie hat tatsächlich die Hufen hoch bekommen und mich positiv überrascht. Mein Zeugnis sah damals zu gleicher Klassenstufe katastrophal aus...
Viel zu lieb und brav die kleine Maus. In einem Monat wird sie 14 Jahre alt und ich bin dann fast 10 Jahre lang ihr Papi. Einfach eine Traum-Tochter!

Ich drücke mich morgen vor Hamburg. Zu viel Chaos im Büro, zu viel Rückstand.

Erbärmlich diese Macht- und Kompetenz-Spielchen!
Muss ich wirklich bei meinem Chef anklopfen und ihn bitten, dass er die Frau Hauptfeldwebel-IT-Generalin anweist, mir einen funktionierenden Rechner zu besorgen. Traurig und unnötig...

Ebenso unnötig wie die erneuten Anrufe vom Erzeuger meiner Tochter. Drei lange Jahre hatten wir Ruhe, war er doch endlich "trocken" und in einer betreuten Maßnahme. Scheint wohl wieder rückfällig geworden zu sein, denn jetzt klingelt nachts wieder das Telefon bei meiner Frau. Echt nervig.
Er hat sie mal vor ein paar Jahren angeschrieben mit den Worten: Er möchte sich jetzt gerne wieder um ihr gemeinsames Projekt kümmern. Er mein damit seine (meine)/ unsere Tochter. Und die hat keinen Bock darauf jemanden kennenzulernen, der sie zuletzt gesehen hat, als sie etwas über ein Jahr alt war.
Trotzdem emotional belastend. Ich bleibe der Stiefvater...

Noch so ein kleines Beispiel aus meinem chaotischen Buchhalter-Alltag:

Eingang einer Rechnung aus UK, Vorauszahlung. Betrag: 39 britische Pfund, klar und deutlich ausgewiesen. Da mein Chef zu geizig ist, den Währungsumrechner in meine FiBu einzubinden, macht er diese Zahlungen manuell. Aus den 39 britischen Pfund wurden spontan 116,50 Euro...
Mein Buchhalter ignoriert die bruitischen Pfund und macht daraus einfach Euro, lässt sich schneller buchen. Umrechnungsfaktor 1:1, spart nämlich Denkleistung ein.
Fazit: Rückzahlung vom Kunden erhalten abzgl. Bankgebühren und ein völlig verwurstetes Kundenkonto.
Und wer darf`s aufräumen?

Klaro geht noch mehr. Irgendwie kapiert mein Chef nicht, dass in Deutschland die Arbeitnehmer einen hohen Schutzstatus haben.
Ein Kollege hat sich krank gemeldet und netterweise angegeben, dass ihn heftige Rückenschmerzen plagen. Mein Chef schreibt ihn per Email an und fragt, ob er nicht im Homeoffice arbeiten könnte...
Zur Info: Neuer Mitarbeiter in der Probezeit! Daher schreibt er natürlich zurück, dass er dieses machen würde!
Und was fehlt? Ein schlichter, simpler Laptop, eingerichtet im Firmen-Netzwerk mit Remote-Zugriff. Ich muss nicht erwähnen, dass ich vor 8 Monaten den Vorschlag bei der IT eingereicht habe, zwei kleinere Laptops für solcherlei "Sonderfälle" vorrätig zu haben... haben wir natürlich nicht. Also wird hier im Hause heute bei anderen Mitarbeitern gebettelt, ob wir deren Laptop für ein paar Tage haben können, - der muss dann natürlich erstmal eingerichtet werden (via Telefon, da die IT-Hauptgeneral-Dame heute im Home-Office arbeitet. Völlig organisatorischer und wirtschaftlicher Wahnsinn!

Wenn das Telefon schon morgens klingelt und der verwirrte Chef dran ist, kann es kein guter Tag werden!
Das miese Wetter scheint für schlechte Laune zu sorgen, alle sind hier gereizt und schlecht drauf. Da nehme ich mich nicht aus...
Mein Kollege wird heute noch eine Abmahnung erhalten. Nicht nur wegen der geänderten Rechnung, sondern weil heute herausgekommen ist, dass diese außerhalb des Systems manuell bearbeitet wurde. Entgegen jeglicher Logik, ohne Verstand und mit Vorsatz. Und es noch nicht mal als Fehler anerkennt...
Und es ist er kurz vor 10, da geht bestimmt noch mehr!

Puh, ich muss Dampf ablassen, dringend!
Mein Chef versucht immer wieder, sein Chaos in meine Verantwortung zu schieben. Vor ein paar Wochen gab er mir die Wartungs-Rechnung für die elektrischen Rollos zurück mit dem Hinweis, dass ich jene nicht mit dem Servicevertrag abgeglichen hatte. Ich erklärte, dass die Unterlagen hierfür nicht in meinem Büro und in meiner Liste vorhanden sind und wahrscheinlich noch nicht von ihm an mich übergeben wurden, was er erwartungsgemäß negierte. Die Unterlagen habe ich mir also nochmals beim Dienstleister angefordert und anschließend ordnungsgemäß erfasst. Und was sehe ich heute in seinem Büro auf seinem Chaos-Regal? Die Mappe vom Hersteller inkl. allen Verträgen! Immerhin hat er seinen Kopf eingezogen...
Organisation und Verwaltung sind definitiv nicht sein Ding, aber immerhin erkennt er mittlerweile, dass ich das ganz gut im Griff habe.
Mein Mitarbeiter im Vertriebs-Innendienst macht mir Sorgen. Er ist dermaßen übereifrig und versucht mit Leistung zu imponieren, und macht dadurch haufenweise Fehler. Heute aufgeploppt: er hat eine im Mai geschriebene Rechnung im Juni nachträglich verändert, nichts gespeichert, abgelegt oder an die FiBu übergeben. Und dann auch noch eine Auslandslieferung... Selbst nachdem ich ihm die Tragweite dieses Fehlers erklärt habe, war von wirklicher Einsicht keine Spur zu sehen. Er bleibt bei seiner Meinung, dass bei der Menge, die er bearbeitet, eben Fehler passieren. Und ich erkläre ihm seit sechs Monaten, dass er nicht nach Menge und Tempo bezahlt (und bewertet) wird, sondern nach Sorgfalt und Fehlerquote. Irgendwie sprechen wir wohl nicht die selbe Sprache, also habe ich einen Kollegen als Übersetzer hinzugezogen, der altersmäßig direkt zwischen uns liegt. Mal sehen, ob das hilft?
Meine Tochter hat mich gestern Abend schelmisch daran erinnert, dass heute Dienstag ist und sie nachmittags in den Jugendclub gehen wird. Mama hat ja früh Feierabend und geht später zum Yoga...
Nette Erinnerung! Bin dann sogar heute um kurz nach 16 Uhr aus dem Büro raus nach Hause gefahren, tatsächlich gut gelaunt und ohne jegliche Erwartung/Hoffnung auf außerplanmäßigen Sex. Wäre ich wahrscheinlich eh zu spät gekommen und was soll ich sagen? Wer keine Erwartungen hat kann auch nicht enttäuscht werden.
Wir müssen aufpassen dass wir uns nicht verlieren. Und nachdem meine Frau die Büchse der Pandora geöffnet hat, müssen wir eine neue Basis finden. Zurück zu "wie vorher" geht nicht mehr, dafür sind zu viele Worte gefallen, die sich nicht zurücknehmen lassen.